Gemeinhin hält der Mensch sich für ein denkendes und rationales Wesen, das wohl abgewägt seine Entscheidungen trifft. Angesicht der blanken mathematischen Gewissheit, dass wir alle zu wenig für das Rentenalter sparen (wir nehmen hier die aus, die es aufgrund von Arbeitslosigkeit, schlechter Bezahlung oder dem traurigerweise größten Armutsrisiko, alleinerziehend zu sein, einfach nicht können), sehen die Begründungen des homo oeconomicus wohl wie folgt aus:
- die Zukunft ist uns egal
- wir freuen uns darauf, als Rentner die Erfahrung der Armut zu machen
- wir erwarten, dass unsere Kinder sich um uns kümmern
- wir gehen davon aus, vor dem Ruhestand im Lotto zu gewinnen
Verlassen wir nun den homo oeconomicus und betrachten aktuelle Erkenntnisse der Verhaltensökonomik, so finden wir viele wirklich rationale (!) Gründe dafür, warum wir nicht genügend sparen:
- liebend gerne schieben wir Dinge auf
- wir spüren nicht den späteren Nachteil des zu wenigen Sparens
- wir spüren nicht den späteren Vorteil des genügend Sparens
- wenn wir ein Haus besitzen, halten wir uns bereits für reich
- wir verzichten ungern auf gewohnte Konsumstandards (nach Ausbildung/Studium erst einmal das Geld genießen – dann kommt die Immobilie – Hochzeit – Kinder – Kombis – alles kostet fürchterlich viel Geld, gespart wird später, wenn die Kinder aus dem Haus sind… Und wir selber knapp 60…)
Gegen unsere ureigene Natur müssen wir also Methoden entwickeln, uns selbst zu überlisten. Zu Beginn steht der Biss in den sauren Apfel: Berechnung und Umsetzung eines Mindestsparziels, um neben gesetzlicher Rente/Pension und Eigenheim (nach Rücklagen für Renovierung/Sanierung!) über ein gewisses Grundkapital im Alter zu verfügen. Der nächste Schritt könnte sein, die Sparrate dynamisch ansteigen zu lassen – oder wenigstens die Selbstverpflichtung, bei jeder Einkommenserhöhung einen bestimmten prozentualen Anteil davon zusätzlich für die Altersvorsorge aufzuwenden. Die Regel dabei: erst das Sparen, dann den Lebensstandard erhöhen. Studien zeigen, dass genau dieser Weg funktioniert.
Wenn wir akzeptieren, dass wir die Zügel unserer Entscheidungen keineswegs so fest in den Händen halten, wie wir denken und wissen, dass uns Emotionen oder soziale Normen sinnvolle Entscheidungen im eigenen Interesse erschweren, haben wir den ersten Schritt der Selbsterkenntnis getan. Setzen wir diesen noch in Selbstdisziplin um, haben wir gewonnen.
Dieser Artikel ist von vorne bis hinten inspiriert von Dan Ariely: Denken nützt zwar, hilft aber nichts, Droemer Taschenbuch, 2008 (hier die überarbeitete Ausgabe von 2015, konkret S.318 ff.)